Interview mit Lene Neckel ("Das Märchen vom Schwanensee")
13. April 2025
maerchenfilm.info sprach mit der SWR-Redakteurin über den neuen Märchenfilm "Das Märchen vom Schwanensee" aus der ARD-Reihe "6 auf einen Streich".
Der Märchenfilm feiert seine Fernsehpremiere an Weihnachten 2025 im Ersten.
Wie entstand die Idee Schwanensee, ein Ballett, als Märchen umzusetzen?
Die Idee landete vor zwei Jahren in unserem Postfach und wir waren sofort sicher: das wollen wir machen. Dieses Ballett gehört bei vielen Familien zur Weihnachtszeit, wie der Christbaumschmuck an den Baum. Schön, dass es nun die ARD Märchenreihe „Sechs auf einen Streich“ bereichern wird.
Warum entschied man sich für diese Geschichte?
Wir wollen an Weihnachten alle – von jung bis alt – vor dem Fernseher versammeln und dabei allen etwas bieten. Schwanensee hat dieses Potential! Hier wird getanzt, geliebt, gezaubert und gelacht – es geht um wahre Liebe, um echte Freundschaft, großen Zusammenhalt, Selbstbestimmung und teuflische Pläne. Das Besondere: die Ziele der einzelnen Charaktere sind teils bis heute schlüssig. Dadurch werden die Figuren lebendig, bieten Projektionsfläche und einen Bezug zu 2025.
Was manche vielleicht noch überraschen kann: einige Details des berühmten Balletts gehen auf einen deutschen Schriftsteller zurück, und zwar Johann Karl August Musäus. Er hielt 1784 das Märchen „Der geraubten Schleier“ fest. Darin tauchen die Schwanenmädchen am See auf. Bei ihm wie bei uns geht es um die Freiheit, zu lieben, um Respekt und Akzeptanz.
Was reizte Sie an der Geschichte/Vorlage?
Zu jedem Märchen muss man zunächst einen eigenen Schlüssel finden. Viele der Geschichten werden zwar bis heute erzählt, weil ihr Kern universell ist, aber, ehrlich gesagt, liegt doch ganz schön viel Staub auf den Märchenstoffen.
Genau darin liegen der Reiz und die Herausforderung. Es gilt, aktuelle Bezüge zu finden, zu modernisieren und gleichzeitig den märchenhaften Zauber zu bewahren. Die Arbeit an diesem Stoff mit den Autorinnen Silja Clemens und Barbara Miersch und Christoph Holthof als Produzent hatte bei aller Mühe viel Leichtigkeit. Das spürt man im Drehbuch und auch im Material.
Wie lange dauerten die Vorbereitungen zum Film bis der Drehstart begann?
Ungefähr ein Jahr haben wir intensiv an der Idee gefeilt. Welche Teile sind ikonographisch, was wollen wir übersetzen, was bewusst anders gestalten – der Austausch zu diesen Fragen hat uns zu Beginn beschäftigt. Dann treten die einzelnen Personen stärker in den Fokus. Sobald das Buch in seiner Fassung stimmig ist, kommt die Regie, in diesem Fall der Regisseur Christian Theede dazu. Ab da wird die Geschichte dann Stück für Stück dreidimensional.
Was stand für Sie bei der Entwicklung der Geschichte im Vordergrund?
Den Kern zu wahren, aber spürbar den Wind von 2025 durchwehen zu lassen!
Waren Sie beim Dreh vor Ort? Wenn ja, welche Eindrücke hatten Sie beim Dreh?
Das Schloss Monrepos in Ludwigsburg hat seine historischen Türen für die Dreharbeiten geöffnet. Das ist einerseits eine Herausforderung für das Team – denn diese müssen entsprechend achtsam arbeiten und dabei zugleich viel Technik in kurzer Zeit bewegen. Andererseits eine große Bereicherung: wenn ein Prinz sich in historischen Spiegeln spiegelt, wirkt das anders, als wenn es ein Spiegel ist, der patiniert, also künstlich gealtert wurde. Außerdem kehren wir zurück zu einer uns vertrauten Märchenkulisse. Im Schloss Sigmaringen wurde bereits „Die drei Königskinder“ gedreht. Nun werden Innenräume für „Das Märchen vom Schwanensee“ genutzt.
Haben Sie eine Lieblingsszene im Film und warum gerade diese?
Es gibt viele Lieblingsaspekte – wenn es wirklich eine Szene sein soll, dann ist es eine ganz kleine und zwar die Reaktion der Wachen, wenn Odette zum Ball kommt. Im Drehbuch wird mit sensibler Leichtigkeit Odettes dringender Wunsch, dort zu erscheinen, von den Wachen konterkariert. Diesen Witz ins Material zu übertragen, ist nicht leicht. Wir finden: es ist gelungen.
An welches Publikum richtet sich der Film?
An alle – von jung bis alt!
Welchen aktuellen Bezug hat „Das Märchen vom Schwanensee“ zur heutigen Zeit?
Die Frage nach der Liebe, ihrem Wesen und ihrer Vollkommenheit beschäftigt die Menschen seit eh und je und bleibt daher aktuell. Spannend sind die Parallelen, die darin liegen: im Ballett soll Prinz Friedrich unter den Teilnehmerinnen des Balls eine Braut wählen. Ausgehend von dem Bild der langen Schlange an Damen, die sich vor dem Prinzen verbeugen, kamen wir auf die Referenz der Dating-Plattformen. Prinz Friedrich sucht daher im Märchen die zum Ball geladenen Damen aus, in dem er ihre Portraits nach rechts oder links wischt. Hier haben wir also bewusst versucht, Parallelitäten zu übersetzen.
Respekt vor dem jeweiligen Gegenüber und empathisches Einfühlungsvermögen als Basis für ein gutes Miteinander sind weitere Themen, die wohl nie aus der Zeit fallen. Gerad scheint es besonders wichtig, daran zu erinnern.
Oftmals werden ja die Neuverfilmungen sehr kritisiert. Man findet sie oft zu kitschig, zu modern, sie hätten keinen Charme etc. Wie ist Ihre Meinung dazu?
Die Märchen sind eine Gratwanderung und schon in der Frage steckt der Widerspruch. Denn: während es den einen zu kitschig wird, schimpfen die anderen, es sei zu modern.
Wir gehen dann an Märchen-Stoffe, wenn sie uns berühren und wir eine Reihe von Kriterien erfüllt sehen, die die Geschichte für ein breites Publikum auch aus heutiger Sicht erzählenswert macht. Bei Schwanensee haben wir das gefunden.
Diese Neuverfilmung wird von einem starken Cast mit kreativem Stab umgesetzt. Deren kreative Schaffenskraft finden wir anerkennenswert und sehr bereichernd für das Programm an Weihnachten.
Gibt es bereits Zukunftspläne für weitere Märchenfilme?
Gerade geht unsere Kraft in dieses Stück – auf unserem Schreibtischen finden sich zwar bereits Vorschläge für neue Märchen, aber die müssen noch ein wenig warten …
Welches Märchen würden Sie denn gern umsetzen wollen?
Aktuell verfilmen wir neben dem „Märchen vom Schwanensee“ Kirsten Boies beliebte „Sommerby“-Romanreihe. Wir sind daher wirklich vollauf beschäftigt. Trotzdem warten wir gespannt auf die nächste Märchen-Idee im Postfach, die uns sofort für sich einnimmt.
Wir bedanken uns sehr herzlich für das märchenhafte Interview.
Fotos: SWR/KiKA, SWR/Patrick Pfeiffer, lenakatharinakrause (Instagram), nele_luebke (Instagram), Olivia Julia Bischoff, silkebodenbender (Instagram), laurayasemin_ (Instagram) |